Systemische Therapie und Traumatherapie
Je nach Bedarf werden in der Traumatherapie unterschiedliche Ansätze miteinander verwoben. Verschiedene Techniken können situationsgerecht und bedürfnisorientiert eingesetzt werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass Elemente der Systemischen Therapie eine fruchtbare Ergänzung für die Traumatherapie sind.
Während in der Traumatherapie in erster Linie das Individuum im Mittelpunkt steht, betrachtet die Systemische Therapie das Individuum auch als Teil eines Systems, sei es der Familie, der Partnerschaft oder des sozialen Umfeldes. Denn psychische Gesundheitsprobleme zeigen sich immer in einem sozialen und interaktivem Kontext.
Wenn wir in der Traumatherapie Ihre Eingebundenheit in Familiensysteme und soziale Beziehungen mitbetrachten, kann das eine wichtige Ressource und Stütze im Therapieverlauf sein. Oder es kristallisiert sich heraus, was einem Fortschritt im Wege steht oder ihn sogar verhindert.
Es liegt also nahe, beide Ansätze – Systemische Therapie und Traumatherapie – miteinander zu verknüpfen. Denn mit dem erweiterten Instrumentarium der Systemischen Traumatherapie können Menschen mit Traumafolgen bestmöglich unterstützt werden. Sowohl in der Traumatherapie und in der Gesprächstherapie erweisen sich viele Elemente der Systemischen Therapie als hilfreich und gut einsetzbar.
Neben dem Blick auf das Individuum, ist es also sinnvoll, auch die unterstützenden Möglichkeiten von Systemen stets im Auge zu haben und deren Potenziale in eine Therapie einzubinden.
Das Dilemma dabei ist: Trauma-Überlebene haben in ihrem Umfeld oft zwischenmenschliche Traumatisierungen erlebt. Das bedeutet, wer Vernachlässigung und Missbrauch durch andere erfahren hat, war anderen Systemen ausgeliefert.
Häufig lassen sich auch dysfunktionale familiäre Dynamiken oder emotionale Muster, die von einer Generation auf die nächste übertragen wurden, im Therapieverlauf ausfindig machen. In der Systemischen Traumatherapie gilt es ganz besonders, ressourcenreiche Beziehungen zu stärken und von zu belastenden Beziehungen abzugrenzen.
Der systemische Blick schweift aber nicht nur nach Außen, sondern kann auch das innerpsychische System des Individuums hilfreich in den Fokus nehmen.
Systemische Elemente in die Therapie zu integrieren, muss den Bedürfnissen Betroffner entsprechen. Die unterschiedlichen Ansätze können miteinander in Einklang gebracht werden, wenn sie in einer sinnvollen Art und Weise kombiniert werden, um die persönlichen Ziele Betroffener optimal zu fördern.
Systemischer Ansatz in der Traumatherapie
Traumatherapie und Systemische Therapie können sich also gegenseitig ergänzen, um den Bedürfnissen/Zielen Trauma-Betroffener und ihrer Einbettung in ein stabiles Umfeld bestmöglich gerecht zu werden. Eine Reihe von Verfahren aus der Systemischen Therapie eignen die sich besonders gut für den Einsatz in der Traumatherapie und können eine positive Erweiterung sein.
Beispiele, wie die systemische Therapie die Traumatherapie bereichern kann:
- Stärkung der Ressourcen: Systemische Ansätze legen großen Wert darauf, Ressourcen zu identifizieren und zu stärken, sei es auf der Ebene des Individuums, der Familie oder des sozialen Umfelds. Das Gefühl, unterstützt und nicht allein gelassen zu werden, kann durch die Einbeziehung von Ressourcen aus dem sozialen Umfeld unterstützt werden. Diese können in emotionaler Unterstützung, in praktischer Hilfe oder in gemeinsamen Aktivitäten bestehen, um das Trauma zu bewältigen.
- Genogramm: Ein Genogramm kann zur Visualisierung des familiären und sozialen Netzwerkes eingesetzt werden. Dies kann ein Licht auf die Prozesse innerhalb der Familie oder des sozialen Umfelds werfen und eventuell zur Erkennung von Verhalten führen, das der Genesung förderlich sein kann oder ein Hindernis für die Genesung sein kann.
- Systembrett und Skulpturarbeit: Diese Methoden beinhalten die physische Anordnung von Personen, Ich-Anteilen oder Objekten, um Interaktionen und Beziehungen im inneren und äußeren System darstellen und erforschen zu können. Eine Metaperspektive kann helfen, familiäre Dynamiken oder dysfunktionale Muster zu identifizieren und zu bearbeiten, insbesondere wenn diese einen Einfluss auf das Trauma und seine Auswirkungen haben.
- Kontextualisierung des Traumas: Die Traumaerfahrung wird in den breiteren sozialen, kulturellen oder historischen Kontext eingebetteten, um ein umfassenderes Verständnis zu fördern.
- Rituale: Gemeinsam können Rituale oder symbolische Handlungen entwickelt werden. Z.B. um den Übergang von der Traumaerfahrung zu einer Phase der Genesung zu markieren.
- Kommunikation verbessern: Die Systemische Therapie bietet Werkzeuge, um die Kommunikation in Beziehungen zu verbessern. Für Menschen, die aufgrund ihres Traumas Probleme in der Kommunikation mit anderen haben, kann dies besonders hilfreich sein. Zur Schaffung eines unterstützenden und verständnisvollen Umfelds für die Genesung kann die Verbesserung der Kommunikation beitragen.
- Identifizierung von Mustern: Systemische Ansätze helfen beim Finden von dysfunktionalen Mustern in zwischenmenschlichen Beziehungen oder Verhalten. Diese können eine Folge des Traumas sein. Es eröffnet die Perspektive für das Durchbrechen dieser Muster und die Entwicklung gesünderer Dynamiken, die die Resilienz stärken.
Systemische Therapie und systemisches Denken
Die Systemische Therapie und Beratung ist ein Verfahren, dessen Wirksamkeit wissenschaftlich anerkannt ist. Systemische Traumatherapie ist ein Konzept, das systemische und traumatherapeutische Ansätze verbindet, um Folgen des Traumas ganzheitlich zu behandeln. In der systemischen Traumatherapie werden individuelle Erfahrungen nicht getrennt voneinander betrachtet, sondern in ihren sozialen Kontext und ihre Bindungen eingebunden. Die Gestaltung eines geschützten und stützenden therapeutischen Raumes, in dem ein Mensch seine traumatische Erfahrung mitteilen und bewältigen kann, ist ein zentrales Element der Traumatherapie.
In der systemischen Perspektive wird die Wichtigkeit von menschlichen Beziehungen und gesellschaftlichen Zusammenhängen betont. In der Systemischen Traumatherapie kann dies bedeuten, dass untersucht wird, inwiefern das Trauma das familiäre oder soziale Umfeld beeinflusst oder das Umfeld zur Nicht-Verarbeitung beiträgt. So kann die Therapie bei der Identifizierung und Verbesserung von dysfunktionalen Kommunikationsmustern innerhalb der Familie oder des Systems helfen.
Systemische Traumatherapie bietet einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem die individuellen Erlebnisse des Trauma-Betroffenen in den Zusammenhang der persönlichen Beziehungen und des sozialen Umfelds gestellt werden. Dies kann ein Beitrag zur Stärkung der Resilienz und zur Förderung der Genesung von traumatischen Ereignissen sein.
Heilung in Verbindung mit der gesamten Lebenswelt
Heilung geschieht nicht losgelöst und isoliert, sondern bezieht das gesamte Lebensumfeld mit ein. Die integrierte Methode ist eine Behandlungsform, die nicht nur auf die Symptombehandlung abzielt, sondern auf die Förderung einer nachhaltigen Genesung. Dabei werden persönliche Stärken und hilfreiche Beziehungsstrukturen aktiv einbezogen.
Systemische Ansätze in die Traumatherapie zu integrieren, ermöglicht einen erweiterten Fokus auf Ressourcen, weil die systemische Perspektive verstärkt das gesellschaftliche Gefüge und Kontakte einbezieht. Dies kann zu einem umfassenderen Verständnis Ihrer Stärken beitragen und eventuell auch zur Identifizierung von Ressourcen, die im Rahmen einer individuellen Traumatherapie nicht so stark in den Vordergrund gerückt worden wären.
Systemische Therapie und Gesprächstherapie nach Carl Rogers
Achtung: Es ist durchaus möglich, den Systemischen Ansatz auch in die Gesprächspsychotherapie nach Carl Rogers zu integrieren. Beide Verfahren unterscheiden sich zwar in ihren Schwerpunkten und Vorgehensweisen, können aber in bestimmten Fällen synergetisch wirken.
- Während die Systemische Therapie beziehungs-, kontext- und sozialdynamisch orientiert arbeitet, stehen in der Gesprächstherapie nach Rogers Empathie, die bedingungslose wertschätzende Haltung und Kongruenz der Therapeutin/des Therapeuten im Vordergrund.
- Den sozialen Kontext einzubeziehen und die Beziehungsdynamik zu fokussieren, kann auch in einer Gesprächstherapie Sinn machen.
- Perspektivwechsel und die Aktivierung des inneren Beobachters sind weitere Ziele Systemischer Techniken. So kann die Auseinandersetzung mit Rollen und Mustern gefördert werden.